MUBIK
Rothenburg-Dinkelsbühl, 14.11.2018
Sätze wie "Maschine sucht Maschinenführer" oder "Pflegekräfte dringend gesucht" sind derzeit überall zu lesen.
Tatsächlich herrscht ein großer Mangel an Auszubildenden, insbesondere in den Bereichen Gastronomie, in den klassischen Handwerksberufen, z. B. im Fleischer- und Bäckerhandwerk, bei Malern, Frisören oder auf dem Bau.
Dieser Entwicklung will das Staatliche Berufliche Schulzentrum Rothenburg-Dinkelsbühl Einhalt gebieten und verstärkt für die duale Ausbildung werben. Dazu hat sich eine Gruppe unter der Leitung von Studiendirektor Jörg Kolbinger zusammengefunden, die mit den umliegenden beruflichen "Zubringer-Schulen" in Kontakt getreten ist. Lehrkräfte aus verschiedenen Mittelschulen, Realschulen und dem Reichsstadt-Gymnasium Rothenburg waren der Einladung zum Austausch in das SBS gefolgt.
Neben Informationen über den Wert einer dualen Ausbildung, die Einstufung in den Deutschen und Europäischen Qualifikationsrahmen von allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, bis hin zur "BerufsschulePlus" und den Verdienstmöglichkeiten im Handwerk, verbunden mit beruflichen Weiterqualifikationen informierten das Lehrerteam der Berufsschule. Und damit nicht genug: Sie führten die Lehrkräfte in Kleingruppen durch das Schulhaus, wo die einzelnen Klassen in kurzen Präsentationen ihren Ausbildungsberuf vorstellten. Start war die Berufsfachschule für Kinderpflege: Dort kann man bereits nach zwei Jahren in einer vollzeitschulischen Ausbildung mit Praxisanteil in den Kitas den Berufsabschluss als "Staatlich geprüfte Kinderpflegerin/Staatliche geprüfter Kinderpfleger" erreichen und - bei guten Leistungen - auch den Mittleren Bildungsabschluss erzielen. Dieser Abschluss steht auf der EQR-Stufe 4 von europaweit 8 Stufen. Mit einer zusätzlichen mittleren Reife können die Absolventinnen und Absolventen der Berufsfachschule für Kinderpflege eine Fachakademie für Erzieher besuchen und schließen diese mit der EQR-Stufe 6 ab. Die EQR-Stufe 6 ermöglicht einen uneingeschränkten Hochschulzugang über die berufliche Qualifizierung.
Die Fachkräfte für Systemgastronomie mit dem stellvertretenden Schulleiter, Michael Steigmann, und die "klassischen Gastronomen", mit ihrer Lehrerin Johanna Juran, stellten ebenfalls ihre verschiedenen Aufgabenbereiche vor und verwiesen auf die exzellenten Aufstiegschancen, die die Gastronomie zu bieten hat. Besonders die Internationalität des Berufs ist für viele junge Menschen attraktiv - ihnen steht die Welt offen. Dazu ist natürlich das Basiswissen unabdingbar: Michael Seybold aus Gebsattel, Juniorchef im Gasthaus Lamm und derzeit Koch-Auszubildender im Hotel Landwehrbräu in Reichelshofen, demonstrierte dies anschaulich am Filetieren einer Forelle.
Tatsächlich werden zahlreiche Ausbildungsberufe in Rothenburg und Dinkelsbühl dual begleitet - auf einem hohen technischen Niveau bei bester Ausstattung der Schul- und Praxisräume. Die angehenden KFZler erläuterte die Funktion eines Differentialgetriebes , die Maler mit ihren Lehrern Günter Heckmann und Markus Löschel gestalteten individuelle Malerkojen, die Fahrzeuglackierer erläuterten ihre Tätigkeiten in der Spritzkabine. Der für Landmaschinenmechaniker zuständige Lehrer Herbert Schultheiß führte durch die großzügigen Werkstätten und sein Lehrerkollege Bernd Ehnes zeigte klassische Schmiedearbeiten und demonstrierte den Umgang mit der CNC-Maschine.
Für das leibliche Wohl der Gäste hatten die Lehrkräfte Dirk Richter und Andreas Bonk gesorgt und bei dieser Gelegenheit einen Einblick in das Gastronomische Bildungszentrum ermöglicht.
Auch die Dinkelsbühler Kollegen hatten sich nach Rothenburg aufgemacht. Das BGJ für Zimmerer und Schreiner ist dort beheimatet. Reiner Strobel hatte verschiedene Werkstücke aus Holz mitgebracht und erläuterte deren Herstellung. Doch damit nicht genug: 3 der angehenden Schreinerinnen und Schreiner warben für ihre Ausbildung und alle drei haben bereits ihre Hochschulreife in der Tasche - in Form eines allgemeinen oder FOS-Abiturs. Die angehende Kauffrau für Büromanagement, Nicolette Swoboda, repräsentierte die kaufmännische Abteilung in Dinkelsbühl: Sie war mit dem Vertreter der Abteilung Wirtschaft und Verwaltung, Dieter Haas, und ihrer Ausbilderin aus der Wörnitzer Firma bredenoord gekommen und stellte die Vorzüge einer Doppelqualifizierung durch eine duale Ausbildung in Kombination mit der BerufsschulePlus vor. Katharina Hettenbach, Studentin am Campus Rothenburg, berichtete ebenfalls engagiert von ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau im Hotel Eisenhut und dem gleichzeitigen Erwerb der allgemeinen Fachhochschulreife an der "BerufsschulePlus".
Studienrat und Handwerksmeister Hans Grum hatte eine junge Fleischermeisterin und Betriebswirtin, Kristin Güllich geb. Albrecht, eingeladen: Diese hatte zunächst eine Banklehre absolviert, bevor sie sich entschloss, den elterlichen Fleischereibetrieb in Dietenhofen zu übernehmen und tauschte - bewusst und gerne - "die Lackschuhe mit der Metzgerschürze".
Keinerlei Nachwuchssorgen haben die Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik: Derzeit werden 8 Klassen unterrichtet - alle "randvoll" mit Auszubildenden. Und es gibt noch eine Rarität: Die bundesweit einmaligen Pinsel- und Bürstenmacher mit gerade mal 14 Schülern in drei Jahrgangsstufen und zwei Klassen.
Doch was kann man tun, um die berufliche Bildung attraktiver zu machen? Sie muss zeigen, welche Möglichkeiten sie bietet: Wenn jemand eine duale Ausbildung absolviert hat, wird ihm die EQR-Stufe 4 zuerkannt - genauso wie einem Abiturienten. Der Azubi verdient während seiner Ausbildung in der Regel durchaus ordentlich und bei manchen Ausbildern gibt es aktuell - oft als Dankeschön für einen unterschriebenen Ausbildungsvertrag - ein Laptop oder den Führerschein obendrauf. Weiterqualifizieren kann man sich immer: Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gibt es mehr als genug, das berufliche Schulwesen zeigt Durchlässigkeiten nach allen Seiten.
Ob ein Studienabschluss auch immer den erhofften finanziellen und gesellschaftlichen Aufstieg bringt? Zunächst muss jedenfalls kräftig finanziell investiert werden. Handwerksmeister mit ihren fachlich bestens qualifizierten Gesellen sind inzwischen ein rares Gut und dieses hat - zurecht - seinen Preis. Manuela Johrend in ihrer Eigenschaft als Bildungsfindungsbegleiterin zeigt im Raum Rothenburg ihren Schützlingen entsprechende Wege auf, die Realschulen sind sowieso von jeher offen in alle Richtungen und die Gymnasien? Nun - auch sie möchten ehemalige Abiturienten einladen, die sich bewusst für eine Ausbildung entschieden haben: Als Botschafter für die duale Bildung, mit der Deutschland Vorreiter ist - in der ganzen Welt. -sw-